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„Die Vorteile von Jobsharing für Arbeitnehmer sieht jeder sofort, bei Arbeitgebern dauert’s ein bisschen länger.“

Tipps zum Jobsharing von Yannic, Gründer des Jobsharing Hub in Berlin

Yannic (33) hat selbst ein Jahr im Jobsharing gearbeitet. Ihn hat das Tandem-Modell so überzeugt, dass er anschließend begann, als Jobsharing-Berater zu arbeiten. Weil das Interesse fürs Jobsharing auf Unternehmens- und Arbeitnehmerseite so groß war, gründete er mit seiner Partnerin Svenja the jobsharing hub in Berlin. Im Interview verrät er seine persönlichen Tandem-Erfahrungen und gibt Tipps für ein erfolgreiches Jobsharing.   

Wie hast du das Jobsharing-Modell in deinem früheren Job durchgesetzt?

Da muss ich drei Stationen nennen: Mein Bedarf ist entstanden, als ich noch für Oracle (#1) gearbeitet habe. Dort habe ich „vorgefühlt“, ob Teilzeit möglich wäre – die Reaktion war eher ernüchternd. Aus heutiger Sicht hätte ich die Vorteile flexibler Arbeit für die Organisation besser überdenken und rausarbeiten müssen. Es kam aber hinzu, dass ich sowieso einen beruflichen Tapetenwechsel brauchte. Hat man sich damals (2015) mit Jobsharing beschäftigt, ist man eigentlich sofort (und ausschließlich) auf Tandemploy (#2) gestoßen. Dort wurde mit dem Modell explizit geworben. In den Gesprächen war stellte sich eher die Frage, wie das Jobsharing aussehen soll, nicht das ob. Das war einerseits ermutigend, andererseits vielleicht auch etwas blauäugig, weil wir dadurch bestimmte, kritische und wichtige Fragen zum Jobsharing gar nicht thematisiert haben. Nach meiner Zeit bei Tandemploy habe ich mit meiner Partnerin Svenja the jobsharing hub (#3) gegründet. Aktuell arbeite ich nicht im Jobsharing, sondern mit unseren Kunden am Jobsharing. Für meine Freundin und mich Tandem-Partner reinzuholen ist das Ziel der nächsten Wachstums-Phase. Wir betonen aber gerade, dass wir beide nicht als Tandem arbeiten. Denn wir haben eine durchaus strikte Vorstellung davon, was ein Tandem ausmacht und ab wann man eigentlich davon sprechen sollte. Zur Zeit genieße ich es, komplett selbstbestimmt zu arbeiten.

Was waren deine Argumente für ein Jobsharing?

Ich wollte das, was ich im Sales bei Oracle gelernt hatte, in einem anderen Umfeld ausprobieren und Teamverantwortung übernehmen. Aber gleichzeitig wollte ich für meinen Sohn, mit dem ich sieben tolle Monate Elternzeit verbracht hatte, weiterhin die Hälfte der Verantwortung übernehmen. Mehr aus Eigeninteresse als aus Pflichtgefühl. Insofern ging es bei Tandemploy eher darum, ob ich zu meinem Junior-Partner, der bereits an Bord war, passen würde. Da habe ich die Aussage „Wir haben uns eure matching-Ergebnisse per Algorithmus angesehen, sind klasse“ und ein gemeinsames Gespräch als ausreichend eingeschätzt. Und ganz ehrlich: Ich wollte von der Konzern- in die StartUp-Welt wechseln und zum Erfolg eines starken Konzeptes beizutragen. Es wurde klar, dass meine Kenntnisse und Fähigkeiten viel wert sind. Als Svenja und mir später bewusst wurde, dass bei interessierten Unternehmen ein großer Bedarf an Beratung und HR Know-How im Kontext von Jobsharing besteht, war die Gründungsidee von the jobsharing hub geboren. Svenja konnte das fachlich gut einschätzen, weil sie im Personalbereich bei Coca Cola Jobsharing eingeführt hat.Jobsharing-Experte Yannic gibt Einblick ins Jobsharing

Wie hat dein Umfeld darauf reagiert?

Es hat sehr viel Interesse gegeben. Und viele Fragen – die kritischen eher durch die Blume. Die Skeptiker sagen einem die Zweifel selten ins Gesicht, das beobachte ich auch jetzt bei unseren Kunden. Sowohl privat wie beruflich habe ich gemerkt, dass die Leute zwischen Begeisterung (zumal fast jeder sofort anfängt, nachzudenken, was das für sie oder ihn bedeuten würde) und ganz, ganz vielen Fragezeichen hin- und hergerissen sind. Das ist auch okay – da setzt dann unsere Arbeit an.

Hat das Jobsharing deinen Arbeitsalltag verändert?

Es hat meinen Arbeitsalltag komplett verändert. Und das fand ich super! Ich arbeite gerne mit anderen zusammen, teile Wissen, schaffe neue Prozesse und mag Experimente. Und ich habe kein Problem damit, Dinge, die mir nicht liegen, anderen zu überlassen. Mein Tandempartner und ich sind schnell unglaublich effizient geworden. Die vorhandenen Stunden mussten optimal genutzt werden. Lange Kaffeepausen waren passé. Zwei, drei Mal die Woche musste ich spätestens um 15:40 auf dem Fahrrad sitzen, um pünktlich bei der KITA zu sein. Ich ziehe eine ziemlich deutliche Grenze zwischen Beruf- und Privatleben. Das hat nicht allen gefallen, ist aber trotzdem meine Empfehlung.

Welche Vorteile bietet das Jobsharing – für Arbeitnehmer und Unternehmen?

Die Zugeständnisse beider Seiten an die andere müssen in einem vernünftigen Gleichgewicht zueinander stehen. Das sollte man von vornherein prüfen, sonst ist sofort ein Gefälle da. Dazu empfiehlt es sich, bei der Stelle – und nicht bei der Person – anzufangen: Profitiert die wirklich davon? Denn ob Zeit für Kinder, Eltern, Ehrenamt, Studium, Selbstständigkeit, einfach mehr Freizeit oder Auswandern: motivierte Jobsharer haben eh einen Antrieb. Dann muss individuell geklärt werden: Haben wir an einer Schnittstelle im Unternehmen z.B. die Herausforderung von Wissensverlust? Oder Nachfolgeplanung? Oder ein sehr hohes Arbeitsvolumen? Je nachdem bieten sich unterschiedliche Konstellationen, verschiedene Jobsharing-Modelle, an. Ein Jobsharing aus einem junioren und einem senioren Vertriebs-Partner zahlt auf andere Ziele ein als eines aus erfahrenem Kreativkopf und einer kundigen IT’lerin.

Wo liegen Schwächen des Modells?

Meiner Einschätzung nach paradoxer Weise dort, wo auch ein sehr großer Nutzen liegt: in seiner Einwirkung auf die Organisation. Auch wenn es einfach klingt: zwei Leute auf einer Stelle – das fordert fast jedes Unternehmen heraus, vom Konzern bis zum StartUp, kann ich aus eigener und fachlicher Erfahrung sagen. Innerhalb des Tandems müssen bestimmte Arbeitsprozesse und Verbindlichkeiten genauso definiert werden wie technische Workflows. Das ist keine Raketentechnik, aber auch kein Kinderspiel. Wer was anderes erzählt, redet es sich meiner Einschätzung nach einfach schön. Das sehe ich kritisch. Denn für jedes gescheiterte Tandem müssen drei erfolgreiche entstehen. Sonst kommen die Skeptiker aus allen Ecken und tönen rum, dass das eh alles nur eine Sonderschleife für diese komische neue Eltern-Generation oder Gen-Y-Luftikusse ist. Das gilt es zu verhindern, den Erfolg sicher zu stellen. Darum gibt’s uns.

Welche Tipps fürs Jobsharing kannst du Arbeitnehmern geben?

Sich auszutauschen, auf kritische Fragen vorzubereiten und Geduld zu haben. Wir haben eine Xing-Gruppe dazu aufgemacht, das ist ein guter Anfang zum Vernetzen. Die Mehrwerte für die Organisation gut rauszuarbeiten, und früh genug anzufangen, vorzufühlen.

Was war deine Erkenntnis nach dem Arbeiten im Tandem?

Dass man das Umfeld nie außer Acht lassen darf und sich nicht zu sehr auf das eigene Tandem konzentrieren sollte. Letztendlich entstehen – da bin ich fest von überzeugt – immer Silos, und das ist auch nix schlimmes. Aber deswegen muss man das Umfeld, in dem man im Tandem arbeitet, eben auch immer gut einbeziehen, im positiven wie im negativen. Jobsharing ist kein Allheilmittel. Aber ein wahnsinnig gutes, weil so handfestes Modell. Alle reden von Agilität – aus meiner Sicht eigentlich nix neues. Aber irgendwo mit muss man halt mal anfangen, wenn die Organisation sich weiterentwickeln soll und da halte ich Jobsharing für einen sehr guten Start. Und persönlich kenne ich, nach wie vor, kein anderes Modell, das in einer bestehenden Organisation mit festen Strukturen so eine Flexibilität erlaubt – und dadurch eine vernünftige Balance zwischen Berufs- und Privatleben schafft.Jobsharing - wichtige Tipps für das Arbeiten im Tandem vom The Jobsharing Hub Gründer Yannic.

Jetzt, wo sich unser hub ganz gut etabliert hat, haben wir uns mal selber auf die Sonnenseite getraut, ich bin ja gerade für einen Monat in Thailand. Und zukünftig will ich einfach mehr solche Experimente machen. Testen, wie ich arbeiten kann und will.

Ist Jobsharing ein Arbeitsmodell der Zukunft?

Es ist auf jeden Fall ein ganz wichtiges. Wenn du das mit Auswandern kombinierst, hast du es weiterentwickelt. Und ich finde, das belegt den Wert für die Zukunft.

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