Ein Kommentar von David Hachenberg
Spazieren gehen, Einkaufen mit Kind, Autofahren zu zweit – das ist jetzt in ganz Spanien strikt verboten. Seit 27 Tagen herrscht landesweit die härteste Ausgangssperre Europas. Hohe Bußgelder bishin zu Freiheitsstrafen drohen bei Missachtung. Spanien tut alles um den Brandherd der Corona-Krise in den Griff zu kriegen – und scheint dabei den moralischen Boden einer europäischen Demokratie unter den Füßen zu verlieren.
Die Corona-Krise in Spanien
Die Corona-Lage in Spanien ist ernst! Sehr ernst vor allem in Madrid, dem Epizentrum der Corona-Krise. Daher unternimmt die spanische Regierung um Pedro Sánchez alles um den „Krieg gegen den Virus zu gewinnen“. Am 15. März rief der Präsident den Alarmzustand aus. Absolute Ausgangssperre für das Festland und die spanischen Inseln – von El Hierro bis Mallorca. Was blieb ihm auch anderes übrig? Bei schockierend steigenden Zahlen von Corona-Infizierten und –Toten. Verständlich.
Die Ausgangssperre herrscht!
Seitdem herrscht die absolute Ausgangssperre. Ob deren Auswirkungen und die damit verbundenen Maßnahmen verhältnismäßig sind, fragt keiner mehr. Im Gegenteil. Wer die angeordneten Beschränkungen anzweifelt oder alternative Wege aufzeigt, der setzt sich dem Vorwurf aus, den Ernst der Lage nicht zu erkennen und damit quasi den Tod unschuldiger Menschen mit zu verantworten.
Maßnahmen gegen Corona – und die Humanität
In meiner Wahlheimat auf Teneriffa wurden Ende März die letzten übriggebliebenen Touristen ausgeflogen. Es ist apokalyptisch ruhig geworden auf der einstigen Urlaubsinsel. Arbeiten und das Haus verlassen dürfen nur diejenigen, die in „unverzichtbaren Berufen“ tätig sind. Ohne den Blick auf die individuelle Not der Menschen.
Vereint gegen den Virus – mit aller Macht
Die Spanier haben jetzt einen gemeinsam Feind, der mit aller Härte bekämpft wird. Hochschwangere werden von der Polizei auf ihrem Weg zum Supermarkt gestoppt, weil sie neben ihrem Mann im Auto sitzen. Private Hilfsorganisationen haben es schwer, ihre Pakete bei den Allerärmsten ankommen zu lassen. Denn auch sie haben striktes Arbeitsverbot. Bei Panzern und Patrouille traut sich sowieso kaum jemand mehr aus dem Haus. Selbst das alte Ehepaar spaziert nicht mehr im Hausflur. Anordnung von Oben. Ohne Wenn und Aber.
Keine Kinder mehr zu sehen
Kinder dürfen auf Teneriffa seit einem Monat nicht mehr vor die Tür. Auch nicht dann, wenn eine Mutter alleinerziehend ist. Einkaufen und die 4-jährige Tochter mit zum Supermarkt nehmen? „Gegen das Gesetz“ heißt es dann, von dem bis unter die Ohren bewaffneten Soldaten. Der Militär besteht darauf, dass das Kind alleine zu Hause gelassen wird. Es wird ein Bußgeld verhängt. Währenddessen spielt ein Mann mit seinem Hund im eigens dafür vorgesehenen Park. Hunde ja. Kinder nein! So ist das eben.
Bangen um die Existenz
Über Nacht haben auf der vom Tourismus abhängigen Insel unzählige Menschen ihren Job verloren. Finanzielle Soforthilfen wie in Deutschland greifen hier nicht. Oder zumindest noch nicht.
Angst kommt auf bei patrouillierender Polizei und kreisenden Militärhubschraubern, die auch nicht davor zurückschrecken, einen einsamen Spaziergänger aus der Luft zu orten und auf dem Boden festzunehmen. Um die „Gefahr“ zu bannen versteht sich.
Das Opfer des Coronavirus
Die tragischen, täglich steigenden Todeszahlen, die dem Coronavirus zugeschrieben werden, nehmen in Spanien langsam ab. Zum Glück. Die Maßnahmen greifen und scheinen sie zu rechtfertigen. Vielleicht war es tatsächlich die stärkste Waffe, im Kampf gegen Corona. Und hoffentlich werden wir diesen Krieg am Ende auch gewinnen. Denn ein Opfer ist in dieser Schlacht schon gefallen. Die Menschlichkeit! Hoffen wir, dass sie bald wieder auferstehen wird.
Dies ist ein persönlicher Kommentar von David Hachenberg, der seit 27 Tagen von der strikten Ausgangssperre betroffen ist. Teneriffa ist seit über 3 Jahren seine Wahlheimat. Er liebt das Meer und verbringt nach der Arbeit jede freie Minute auf seinem Boot oder Surfbrett.
2 Kommentare
Petra
10. April 2020 at 20:07Sehr treffend kommentiert David. Mir wird bei der Vorstellung noch weitere 4 Wochen zu Hause bleiben zu müssen ganz schwindelig. Ja, Freiheit war bisher immer etwas selbstverständliches…. und bekommt in diesen Tagen eine neue Qualität. Automotivation ist angesagt und den Humor nicht zu verlieren. „No hay mal que por bien no venga“. Ein kleiner Trost sind die positiven Nebenwirkungen auf die Umwelt und andere Bereiche. Hoffen wir darauf, dass wir ab Mitte Mai wieder unsere erholte Natur genießen dürfen. Ánimo an alle.
aufdersonnenseite
11. April 2020 at 16:10Liebe Petra, vielen herzlichen Dank für deinen Kommentar. Die aktuelle Lage ist wirklich nicht leicht, aber genau wie du sagst gibt es in Zeiten der Krise auch Positives: Die Natur darf sich erholen, vielleicht entwickeln wir ein neues Bewusstsein für die Natur und Umwelt, kommen zur Ruhe und verbinden uns über digitale Medien mit unseren Mitmenschen. Viel Kraft für diese Zeit und liebe Grüße aus El Medano!